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Brustkrebs-Vorsorge nach dem Sonntagsgottesdienst

Die Krebsallianz fördert in Ghana Maßnahmen zur Brustkrebsvorsorge und Behandlung. Patientinnen erhalten kostenlos Chemotherapeutika und essentielle Arzneimittel.

Ein schlichter lang gezogener Flachbau mit Fenstern ohne Glas. Davor ein Mangobaum, unter dem gerade eine Schlange erschlagen wurde. Drinnen ist es dunkel. Schulbänke gestapelt im hinteren Teil des Raums und in der Mitte vier lange Tische. Auf jedem der mit Tüchern abgedeckten Tische liegt eine halbnackte Frau und eine andere, mit weißem Shirt bekleidet, beugt sich über sie und tastet die Brüste ab. Wir sind mitten in Ghana, es ist Sonntagmittag und die Frauen haben sich entkleidet um von den Mitarbeiterinnen der „Breast Cancer initiative“ (BCI) ein Brustkrebs-Screening durchführen zu lassen. Ertasten, ob die Brust frei ist von Knoten oder verdächtigen Verhärtungen, die auf Brustkrebs hinweisen könnten. Die Frauen sind routiniert bei der Arbeit, sie machen dies täglich und mindestens einmal im Monat fahren sie in die Dörfer und Gemeinden um die Provinzstadt Kumasi, gehen von Kirche zu Kirche und verkünden während oder nach den Gottesdiensten, dass sie nach der Messe die Frauen in der Schule erwarten, um für alle eine Brustkrebsvorsorge durchzuführen. Die Frauen kommen in Scharen, lassen sich abtasten und gehen meist erleichtert nach Hause. Einige werden in einen separaten Raum weiter verwiesen.

Dr. Beatrice Wiafe und ihre Mitarbeiterinnen kümmern sich um Aufklärung, Prävention und Behandlung – unabhängig vom Geldbeutel der Patientinnen

Dort wartet Dr. Beatrice Wiafe, eine erfahrene Onkologin und Gründerin, Präsidentin und das Herz von BCI, in adrettem, farbenfrohem Kleid. Ihr werden die Frauen mit auffallenden Befunden vorgeführt: mit tastbaren oder schon sichtbaren Knoten oder offenen Geschwüren, zum Teil erschreckend groß. Meist handelt es sich um Formen von Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium, oft metastasiert. Sie untersucht und sagt dann, dass sie zu ihr ins Krankenhaus kommen sollen, um dort ein Mammogramm anfertigen zu lassen. Gleich am nächsten Tag. 

Der Kampf gegen Krebs ist ein Kampf gegen Aberglauben und Unwissen

Manchmal ist es für diese Frauen bereits zu spät. Sie kommen, wenn Hilfe nicht mehr möglich ist, denn sie haben die Veränderungen in ihrem Körper lange nicht bemerkt oder ignoriert. Oder darüber geschwiegen. 

Denn Krebs, so glauben viele, ist nicht heilbar. Vielmehr könne es Zeichen eines Fluches sein, der auf ihnen oder ihrer Familie liege und dessen sie sich schämen. Viele haben Angst, ihr Ehemann würde sie verlassen, wenn diese Krankheit diagnostiziert wird, oder sie verstoßen für eine Andere, Gesunde. Deswegen gehen sie eher zum Heiler als zum Arzt, der wiederum unwirksame oder gar schädliche Tinkturen und Zeremonien verordnet, die nicht helfen, aber den Frauen das Ersparte nimmt.

Breast Care International und ein umfassendes Konzept, das auch arme Menschen erreichen will

Dr.Wiafe wirkt erschöpft. Kleine Schweißperlen stehen auf ihrer Stirn. Aber sie gibt nicht auf. Sie hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht den Frauen in Ghana Aufklärung über Brustkrebs, Vorsorge und eine gute Behandlung zu verschaffen. Unermüdlich spricht sie vor Betroffenen, jungen und älteren Frauen, Würdenträgern, „Local chiefs“, oder internationalem Publikum auf Konferenzen und Tagungen über die Notwendigkeit  von Aufklärung und Vorsorge. Ihr Netzwerk ist groß und nicht nur in Ghana. Sie zeigt Bilder, auf denen sie neben Joe Biden, dem amerikanischen Vizepräsidenten steht und neben George W. Bush, dem ehemaligen Präsidenten der USA. In ihrem Büro hängen unzählige Auszeichnungen. Dennoch ist sie nicht abgehoben. Sie spricht mit allen gleich ernsthaft und freundlich, lacht viel. Sie packt selbst an, gibt Anweisungen. Patienten gehen vor – dafür lässt sie auch mal die ausländischen Besucher warten – nicht die alten, ausgemergelten und verzweifelten Frauen. Sie ist hoch geschätzt bei Patienten und Personal, das kann man sehen.  Und sie ist diplomatisch. Wie sie den Chiefs vor Ort Respekt erweist und sie ermahnt und fordert, ist souverän und man merkt, sie wird ernst genommen, wenn sie ihr Anliegen erklärt. Die Dorfoberen stimmen am Ende zu, dass die Frauen des Dorfes zu ihr kommen sollten – es geht um eine gute Sache. Und sie kommen. Die Kette der aufrechten, aufgeputzten stolzen Frauen, die im Sonntagsornat in die schlichen Klassenräume streben um ihren Busen zu entblößen scheint nicht abzureißen. Hier gibt es offensichtlich doch eine Nachfrage, ein Bedürfnis. Und nicht nur die erwachsenen Kirchengängerinnen will Dr. Wiafe aufklären über Brustkrebst und Selbst-Untersuchung. Nein, sie hat noch viele Pläne: in die Schulen will sie gehen und die jungen Mädchen aufklären. Die Ärzte, die oft nichts oder zu wenig über Brustkrebs wissen – eine Krankheit, die in Ghana mehr Menschenleben fordert als AIDS, Malaria und Tuberkulose zusammen – sollen eine Fortbildung erhalten. Und noch mehr Workshops für die ausgebildeten Krankenschwestern will sie durchführen. 

Die Krebsallianz fördert die BCI, die Fortbildung von Krankenschwestern und die Versorgung von Krebspatientinnen mit kostenlosen Medikamenten

Gerade waren 60  von ihnen da, im von ihr vor 10 Jahren gegründeten „Peace and Love Hospital“ und haben sich erzählen lassen über Brustkrebs, Prävalenz, Prävention, Screening, Behandlungsmöglichkeiten. Am Ende des 3tägigen Programms sind alle begeistert und gründen noch eine Vereinigung der Onkologie- Krankenschwestern. Denn eine solche gibt es bisher nicht, genauso wenig wie es in ganz Ghana Fortbildung zu Krebs-Erkennung und –vorsorge für Krankenschwestern gibt. Traurig, aber leider wahr. Und dies alles kostet Geld. Geld, welches nicht verfügbar ist, sondern mühsame beschafft werden muss. Bei einheimischen Sponsoren, aber auch bei internationalen Firmen oder NGOs, wie der Krebsallianz, die den gerade durchgeführten Workshop finanziell unterstützt hat.

Darüber hinaus versorgt die Krebsallianz das Peace and Love Hospital mit kostenlosen Krebsmedikamenten. Denn nur etwa 60% der Patientinnen haben eine Krankenversicherung und trotz dieser sind die notwendigen Medikamente in der Regel nicht verfügbar. Hier hilft die Krebsallianz seit einigen Jahren mit kostenlosen Chemotherapeutika und essentiellen Arzneimitteln, um die größten Versorgungslücken zu stopfen.